Kognitive Entwicklung
Zu den kognitiven Fähigkeiten gehören die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Erinnerung, das Verbinden von neuen Inhalten mit schon vorhandenen und die Kreativität. Diese Fähigkeiten kommen bei Denkprozessen zum Einsatz wozu das Lernen, das logische Denken, die Entscheidungsfähigkeit, und die Sprache („mit-teilen“ des Wissens) gehören.
Die Ergebnisse dieser kognitiven Prozesse führen zum Aufbau von Wissensinhalten, Erfahrung und anderen mentalen Prozessen wie Organisation und Anwendung des Wissens.
Aufgrund ihrer Interaktion sollte die kognitive Entwicklung immer in Zusammenhang mit anderen Entwicklungsbereichen gesehen werden. Hierzu gehören die Bereiche der motorischen und feinmotorischen Entwicklung ebenso wie die sozioemotionale Entwicklung.
Die Grundlagen der kognitiven Entwicklung sind genetisch angelegt und werden lebenslang durch die Erfahrungen in der Lebensumwelt und den Einfluss dieser geprägt.
Zur Beschreibung der kognitiven Entwicklung einer Person wird von „Intelligenz“ gesprochen und Tests zur Bestimmung des Intelligenzquotienten genutzt. Intelligenz ist zu verstehen als das was der gewählte Test misst. Hierbei werden relevante kognitive Kompetenzen beschrieben ohne sie in Bezug zu anderen Entwicklungsbereichen wie z.B. die der emotionalen, sozialen und physischen Gesundheit zu setzen. Intelligenztests sollten von Fachleuten durchgeführt werden, die qualifiziert sind, die erhobenen Resultate in Bezug zur ganzheitlichen Entwicklung zu setzten und ihnen erst dann Sinn zu geben.
Die Entwicklung der Kognition in der mittleren Kindheit und Jugend wird vielfach beschrieben. Verschiedene, komplementäre, wissenschaftliche Modelle erweisen sich als hilfreich diese Entwicklung zu verstehen und so reflektierte Formen der umweltlichen Einflussnahme auf diese Entwicklung zu untermauern.
Die Entwicklung der Kognition im Primarschulalter (ca. 6-12 Jahre)
In seiner konstruktivistischen Theorie beschreibt Jean Piaget wie Kinder in dieser Altersspanne, durch einen angeborenen Prozess, ihr Wissen aufbauen durch konkretes, praktisches Tun und Ausprobieren aufbauen. Die Kinder treten in das konkret-operationale Stadium ein und lernen, sichtbare Probleme zu lösen. Dabei können sie progressiv mehrere Dimensionen beachten: Invarianz, Reversibilität, Reihenbildung, Aufbau einer kognitiven Landkarte sind Konzepte, die diese aufgebauten Wissensinhalte bezeichnen.
Die Theorien der Informationsverarbeitung beschreiben diesen aktivenEntwicklungsprozess, in dem Sie die Kognition insbesondere unter dem Aspekt „Aufgabenanalyse“ betrachten. Sie beschreiben die wachsenden kognitiven Fähigkeiten des Gedächtnisses und der Denkstrategien. In dieser Altersspanne und in Bezug auf die Entwicklung des Gehirns steigert sich die Geschwindigkeit, mit der neue Informationen verarbeitet werden können. Auch verbessert sich die Fähigkeit, sich auf relevante Denkprozesse zu konzentrieren und andere Reize auszublenden. Das Wissen über die Welt baut sich stark auf, diese Wissensinhalte werden jetzt kategorisiert und Kategorien miteinander in Beziehung gesetzt.
Die soziokulturellen Theorien heben die Wichtigkeit des umweltlichen Einflusses auf die Entwicklung hervor. Insbesondere unterstreichen sie die Passung der Lernangebote seitens der Umwelt an die allgemeine Entwicklung des Kindes und insbesondere die Sprachentwicklung als soziales- und Denk-Instrument.
In diesem Alter beginnt die schulische Bildung, deren wichtigste Aufgabe in der Vermittlung der kulturellen Fertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens liegt. Hierbei ist die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler einer der wichtigsten Faktoren des gelingenden Unterrichts. Je deutlicher der Schüler das Verhalten des Lehrers als anregend, hilfsbereit und fürsorglich erlebt, desto stärker entwickelt sich seine Lernmotivation und ein positives Sozialverhalten.
Die Theorien dynamischer Systeme heben die Unterschiedlichkeit der Entwicklungsverläufe dieser kognitiven Fertigkeiten hervor. Insbesondere unterstreichen sie ein ganzheitliches Verständnis der Entwicklung. Motivation, analytisches Problemlösen, angeborene Kompetenzen sowie soziale und kulturelle Umgebung wirken in ihrer Interaktion.
Auffälligkeiten, die einer spezifischen Unterstützung bedürfen
Im Laufe des Lernens im Rahmen der Grundschule können Auffälligkeiten der kognitiven Entwicklung auftauchen, die über die normale Varianz der Entwicklungsverläufe hinaus geht. Diese Auffälligkeiten zeigen sich in den typischen Grundschullernfeldern (Lesen, Schreiben, Rechnen), aber auch bei der allgemeinen Entwicklung der Wahrnehmung, der Sprache und der Aufmerksamkeitsregulation. Diese funktionellen Auffälligkeiten setzen eine, der Norm entsprechende, allgemeine Intelligenz voraus und werden als „Teilleistungsstörungen“ verstanden.
Im Bereich des Lesens und Schreibens wird von Dyslexie und Dysorthographie oder, allgemeiner, von der Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) gesprochen. Bezogen auf die Kognition zeigen diese Kinder ein schwaches Kurzzeitgedächtnis für verbale Inhalte und können bedeutungsrelevante Laute schlecht unterscheiden. Ihnen fällt es schwer, Buchstaben mit den dazu gehörigen Lauten in Verbindung zu setzten. Ein breites Feld weiterer Entwicklungsbereiche aus dem Spektrum der visuellen und auditiven Wahrnehmung spielt hier eine wichtige Rolle.
Im Bereich des Rechnens wird von Dyskalkulie gesprochen. Bezogen auf die Kognition zeigen sich hier Auffälligkeiten im Bereich des Arbeitsgedächtnisses für Zahlen und bei der Verarbeitungszeit für Rechenaufgaben. Diese Kinder lernen nur langsam zu zählen und entwickeln kein sicheres Zahlenbild. Auch hier spielen weitere Entwicklungsbereiche (propriozeptive, visuelle und auditive Wahrnehmung) eine wichtige Rolle.
Im Bereich der Aufmerksamkeitssteuerung wird von Aufmerksamkeitsdefizit mit/ohne Hyperaktivität (ADHS/ADS) gesprochen. Bezogen auf die Kognition können sich hier schwächere Resultate zeigen, die der schwachen Konzentration zuzuschreiben sind. Die Auffälligkeiten zeigen sich durch Impulsivität und/oder eine motorische Unruhe.
Diese kurz beschriebenen Auffälligkeiten sollten innerhalb einer interdisziplinär strukturierten Untersuchung, die die besonderen Kompetenzen verschiedener Experten zusammenbringt, beschrieben werden. Zu den Experten gehören Psychologen, Neuropsychologen, Logopäden und Fachärzte. In der Folge der Beschreibung der Auffälligkeiten sollten Kinder, die diese Auffälligkeiten zeigen, spezifischen Unterstützungsmaßnahmen aus den Bereichen der Neuropsychologie, der Logopädie und/oder der Medizin ebenso wie aus dem Bereich der Förderpädagogik, ggf. der Neuropädagogik, zugeführt werden.
Die Entwicklung der Kognition im Jugendalter (12-18 Jahre)
Laut der konstruktivistischen Theorie Piagets sind Kinder mit etwa 12 Jahren fähig, abstrakt zu denken und können hypothetische Probleme lösen. Diese Entwicklungsphase wird als formal-operatorisches Stadium bezeichnet. Konkret bedeutet dies, dass Kinder nicht mehr konkrete Objekte oder Ereignisse für ihren Denkprozess benötigen, sondern auch unabhängig von existierenden Objekten und tatsächlichen Ereignissen über Probleme nachdenken können. Sie sind in der Lage, logische Regeln anzuwenden und Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie können vom Allgemeinen auf das Besondere schließen und vom Besonderen auf das Allgemeine.
Auch wenn das konstruktivistische Stufenmodell Piagets interessante Anhaltspunkte zum Verständnis der kognitiven Entwicklung gibt, so muss darauf hingewiesen werden, dass es den Einfluss der Umwelt wenig beachtet und diese Entwicklung sehr individuelle, als normal zu betrachtende Verläufe nimmt.
Die Theorien der Informationsverarbeitung unterstreichen, für die kognitive Entwicklung während der Adoleszenz, die Bedeutung der Aufmerksamkeitsregulation. Hierunter versteht sich die Fähigkeit, sich auf Wichtiges zu konzentrieren und Unwichtiges nicht zu beachten. Weiter heben sie hervor, dass die Anbindung neuen Wissens an schon vorhandenes und starkes Wachstum des Inhaltswissens zu wachsenden Denkstrategien führt.
Insbesondere entwickeln sich in der Adoleszenz auch metakognitive Fähigkeiten, d.h. Jugendliche können jetzt ihr Denken reflektieren und denken über sich selbst nach, was auch Einfluss auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nimmt.
Der Schule fällt bei der Förderung der kognitiven Entwicklung eine zentrale Rolle zu. Hierbei ist es für gelingenden Unterricht wichtig, eine Passung der Anforderungen zu finden, eine warmherzige, wertschätzende und herausfordernde Atmosphäre zu schaffen, klare Regeln zu setzen, zur Selbstständigkeit zu ermutigen und Jugendliche ernst zu nehmen.
Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Altersphase der Adoleszenz Jugendliche in vielfältigen Entwicklungsbereichen herausfordert. Eine ganzheitliche Sichtweise des Jugendlichen fordert dazu auf, neben der kognitiven Entwicklung auch die emotionale und soziale Entwicklung, ebenso wie die Entwicklung seiner Persönlichkeit zu berücksichtigen.